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Weingut mit Gewissen zur Verantwortlichkeit

  • Autorenbild: Fee Kissel
    Fee Kissel
  • 15. Okt. 2020
  • 6 Min. Lesezeit

Schon als ich den Hof des Weinguts Gabel heute betreten habe, war das emsige Treiben überall um mich herum zu spüren. Der Herbst ist in seinen letzten Zügen und bald schon endet die Lese für dieses Jahr.

Da stand Waldtraut Schmitt geschäftig in der Küche, um den Braten vorzubereiten, der heute Abend zum Dank an alle Helfer*innen mit Zwiebeln, Salaten und Soßen serviert werden sollte. Die ersten Gastarbeiter*innen würden morgen in der Früh schon nach Hause reisen, aber den Abschluss wollte man noch gebührend zusammen feiern. Wie ich später von Wolfgang, dem Winzer in 12. Generation erfuhr, ist es Gabels sehr wichtig, ein gutes Verhältnis mit den Helfer*innen zu haben: „Man unterstützt sich und schätzt einander. Kollegialität ist dabei wirklich wichtig! Es ist ein Zeichen der Wertschätzung von beiden Seiten.“. Schon während der letzten drei Wochen gab es abends immer Zusammenkünfte aller fleißigen Arbeiter*innen, bei denen noch gemütlich ein Bier getrunken wurde. Als ich „Bier“ hörte, stutzte ich. Aber die Erläuterung war einleuchtend. „In vielen Weingütern ist es üblich, gerade während der Lese keinen Wein zu konsumieren um den Feierabend einzuleiten. Der Herbst ist wohl mit die stressigste Zeit im Jahr. Da arbeitet man von früh bis spät. Wein hat einfach sehr viel mehr Alkohol. Da ist es schwerer, morgens in aller Früh wieder fit zu sein!“, bekam ich erklärt. Und hey, wenn der Wein so gut schmeckt wie hier auf dem Hof, dann kann ich nur für mich sprechen, dass es zumindest mir sehr leicht fallen würde, abends in der wohligen Stube zu versacken.

Aber nicht nur in der Küche war man geschäftig. In der angrenzenden Halle wurden Fässer geschichtet, Kisten verräumt und Oliver - Winzer in 13. Generation und erfolgreicher Betriebsleiter seit 2014 - checkte schnell nochmal wie es im Weinkeller aussah, bevor er sich wieder anderen Dingen zuwandte. Zum Zeitpunkt der Übernahme des Weinguts von Oliver war er gerade mal 25! Als ich da große Augen machte antwortete mir Wolfgang, sein Vater, dass man mit 25 zwar noch jung ist, aber schon alt genug, um selbst echte Verantwortung zu übernehmen. Und Oliver hat direkt wahres Können und Geschick bewiesen. Gerade was die Betriebswirtschaftlichkeit des Guts anging hat er massive Verbesserungen eingeleitet und so das Weingut zu neuer Blüte geführt.


Als erstes wurde ich im Übrigen von Maja begrüßt. Maja ist der Hund der Familie und Freundin einer*s jeden Besucherin*s. Freudig schwänzelnd kam sie mir entgegen, sah mich aus ihren gutherzigen Augen auffordernd an und legte sich zutraulich vor mich um sich ihre wohl geliebten Streicheleinheiten abzuholen.

Trotz der vielen Arbeit schätzte ich es sehr, dass sich Wolfgang und auch Oliver die Zeit für mich nahmen, sich mit mir zu unterhalten.


Die Familie strahlt Bescheidenheit und Demut vor dem Wunder der Natur aus. „Hat man gute Trauben, muss man nicht mehr viel zusätzlich machen“, wusste Wolfgang. Von 200 möglichen Stoffen, die man zum Wein hinzufügen darf, versucht Gabel es auf ein Minimum zu reduzieren. Gehalten wird alles sehr schlicht. Das Weingut hat wenige Sorten, verwendet wenig Zusätze und die Gärung findet im Holzfass statt. Manchmal ist weniger eben mehr, das kennt man ja aus mehreren Bereichen des Lebens!

Reben sind Selbstbestäuber. Das heißt, im Prinzip ist das massive Insektensterben eigentlich etwas, was die Winzer*innen nicht in erster Linie beschäftigen müsste. Dennoch legt Familie Gabel sehr viel wert auf den Erhalt unserer Artenvielfalt. „Nicht das Winzer*innen-Dasein an sich zwingt mich in die Verantwortung, aber ich erfreue mich tagtäglich am Gezwitscher der Vögel und dem Geschwirre der Insekten. Allein daran erkenne ich, dass ich es mir und meinen nachfolgenden Generationen schuldig bin, das mir Mögliche zu tun, um diese Schönheit zu erhalten.“, berichtete Wolfgang. Und dafür tun die Gabels auch einiges. Zwar bin ich diejenige von Wolfgang und mir, die Biologie studiert, aber wer hier das Wissen hatte, war ziemlich klar zu erkennen. Da hat mir mein Botanik-Halbjahr wohl nicht so viel geholfen und ich befürchte, dass ich nach dem Zoologiehalbjahr nächsten Mai trotzdem noch nicht die vielen Vogelstimmen voneinander unterscheiden kann, die Wolfgang mühelos erkennt.


Durch die Mitgliedschaft im „Verband Naturschutz“ ist die Familie auch öffentlich eine Selbstverpflichtung gegenüber dem Naturschutz eingegangen. Ziel der Mitglieder ist es beispielsweise, artenreiche Begrünungen und Biotop-Pflegeanlagen anzulegen. Vorteile der Mitglieder sind die vielen Freiheiten, die jedem selbst überlassen sind. Gegenüber den Betreuer*innen kann man seine Ideen artikulieren oder nach Einschätzungen des Fachpersonals fragen. Gemeinsam als Mitglied und Profi kann man eine Flächenbegutachtung durchführen. „Wir sind damals dann gemeinsam durch unsere Weinberge gelaufen und haben gesagt, was wir uns vorstellen. Außerdem wurden uns Vorschläge gemacht, wie man den Naturschutz umsetzen kann und was man eventuell noch für den Artenschutz tun könnte.“, erzählte Wolfgang. Das Weingut wird außerdem Teil eines Programms des Geisenheimer Lehrstuhls für Ökologie im Weinbau. 120 Betriebe sollen die in der Theorie gesammelten Erkenntnisse des Forschungsteams von Frau Prof. Dr. Ilona Leyer umsetzen, um so die biologische Vielfalt zu steigern. Außerdem wollen Gabels zusammen mit der „Pollichia“ (einem forschenden Naturschutzverein mit Schwerpunkt in Rheinland-Pfalz) sowohl eine Blühwiese als auch eine Strauchinsel im Weinberg errichten. Dazu soll Saatgut der Firma „Rieger-Hofmann“ verwendet werden. Die Firma sammelt regionales Saatgut, vermehrt dieses und stellt Saatgut-Mischungen für Kunden zusammen. Wolfgang berichtete: „Es bringt nicht viel, wenn man den Sommer über Blumen wachsen lässt, sich die Raupen an den Halmen im Herbst verpuppen und man dann alles über Winter abmäht. Dann sind die Raupen tot, bevor sie selbst zum Schmetterling werden konnten!“. Genauso muss man Brutinseln so dicht mit Sträuchern besiedeln, dass Vögel auch tatsächlich darin brüten wollen. Und will man in 50 Jahren noch Höhlenbrüter haben, so muss man dementsprechend auch für ausreichend Nistkästen sorgen. Richtig sagte Wolfgang, dass es herzlich wenig bringt, sich auf eine spezifische Sache festzufahren um dann nur dagegen vorzugehen, wenn man dadurch das Große und Ganze aus den Augen verliert. Unser Dasein ist komplex, soviel steht fest. Und nur mit Weitblick und Ideen größer als bis zur unmittelbar nächsten Auswirkung können wir die Zusammenhänge erfassen und erhalten.

Die Familie Gabel überlässt nichts dem Zufall. Sie will selbst das in ihrer Macht mögliche tun, um unsere Erde zu pflegen. Dabei sind es nicht nur leere Worte, die aus ihren Mündern kommen, sondern tatkräftiges Mitanpacken. Ich war überaus begeistert von der gelebten Weitsicht!


Das alles geschieht natürlich neben der Hauptarbeit: die Herstellung eines hochwertigen Weines.


Auf meine Frage, ob der Vater stolz sei, dass beide seiner Kinder, sprich Oliver und Lisa, in Wolfgangs und Riannes (die Eltern) Fußstapfen getreten seien und ins Weinbusiness eingestiegen sind, bekam ich die Antwort: „Sie treten nicht in unsere Fußstapfen, die schaffen neue!“. Ich mochte die Ausdrucksweise! Und man muss gestehen, beide Kinder sind überaus erfolgreich darin „neue Fußstapfen zu schaffen“! Lisa arbeitet bei „Les Grands Chais de France“, einer der größten Weinhersteller der Welt. 350 Millionen Flaschen Wein und Spirituosen vertreibt die Firma jährlich in 160 Länder! Anfangs habe Lisa noch in der Münchner Firma „Binderer“ gearbeitet. Als die Firma 2017 dann von „Les Grands Chais“ übernommen wurde, waren viele der Arbeitsplätze gefährdet. Lisa konnte mit Fachkenntnissen und Geschick überzeugen und wurde mit angestellt.


2014 entschieden Lisa und Oliver das eigene Weingut neu auszurichten. Gemeinsam mit einer Marketing Agentur in Bad Dürkheim veränderten sie Stilistik und Etiketten. Auch hier wird der minimalistische Stil des Guts umgesetzt. Von anfangs 22 Weinsorten baut die Familie nur noch 9 an. Es wird sich auf vor allem die Burgundersorten und Riesling konzentriert.


Das Weingut ist seit Olivers Aufenthalt im Burgund sehr daran angelehnt und genießt eine francophile Ausrichtung. Zusammen mit der Beibehaltung eigener Traditionen können die Weine bei Fachpresse, Kund*innen und Gastronom*innen überzeugen.

Am Burgunder überzeugt neben der Vielfalt die Natürlichkeit. Man verwendet keinen Restzucker um den Wein „aufzuhübschen“; meist hat Burgunder weniger Alkohol und dafür eine größere Tiefe, Mineralität und Fruchtsäure-Präsenz. Der Burgunder bietet mit Spät-, Grau- und Weißburgunder schöne Abwechslung in roten und weißen Weinen. Außergewöhnlich ist das Anpflanzen der Rebsorte Lagrein. Ursprünglich stammt die rote Traube aus Südtirol. In ganz Deutschland beträgt die Anbaufläche wohl unter 8 ha. Allein Gabel hat einen davon. Warum sie nun angepflanzt wird hat den folgenden Grund: „Nach dem 30-jährigen Krieg kamen Handwerker*innen aus Südtirol in die damals entvölkerte Pfalz, die beim Wiederaufbau helfen sollten. 1655 gründete dann Caspar Gabel das Weingut. Zu Ehren des Gründungsvaters wird der Lagrein heute hier angepflanzt.“. Zwar ist der in den 1990er Jahren aufgekommene Trend zum Rotweintrinken rückläufig und die Kundschaft präferiert wieder Weiß, dennoch kann der Ertragswein (so nennt man Rebsorten, die sehr ertragreich sind) Lagrein mit seinem kräftig, wuchtigen Auftreten, den spürbaren Taninen und dem fruchtigen Geschmack überzeugen. Und ich kann berichten: der Wein schmeckt vorzüglich. Als besonders attraktiv muss ich die dunkelrote feste Farbe hervorheben!


Auf meine Nachfrage, warum man die Arbeit im Weingarten als „ehrliches Handwerk“ bezeichnen kann, erhielt ich die folgende Antwort: „Erstmal: gibt es ein unehrliches Handwerk? Ich denke unsere Arbeit kann man als ‚ehrlich‘ ansehen, da es eine sehr bodenständige, qualitativ hochwertige Arbeit ist, die von Hand gemacht wird. Unsere Äcker sind seit Generationen im Besitz der Familie und unser oberstes Ziel ist es natürlich, sie in ihrer Funktionalität zu erhalten. Es ist unsere Lebensgrundlage und wir sind auf Qualität und Langlebigkeit angewiesen. Wir versuchen Gutes zu machen, was möglichst natürlich und ursprünglich ist. Dazu machen wir uns die elementaren Zusammenhänge zunutze.“


P.S.: Für mehr dieser stimmungsvollen Bilder Besucht doch einfach die Internetseite der Gabels!

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