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Frischer Wind im Weingut Bohnenstiel

  • Autorenbild: Fee Kissel
    Fee Kissel
  • 14. Okt. 2020
  • 7 Min. Lesezeit

Heute hatte ich gleich zwei Besuche bei Winzer*innen. Nachdem ich Beckers besucht hatte, ging es weiter zu Bohnenstiels.


Bevor ich von heute berichte, möchte ich an dieser Stelle gerne meine ersten Eindrücke über letzteres Weingut äußern. Ein Bild konnte ich mir nämlich schon 2018 selbst machen, als ich dort kellnerte.



Schon damals war ich total beeindruckt über die Leistungen, welche die Winzer*innen im Allgemeinen und die Familie Bohnenstiel im Speziellen täglich aufs Neue erbringen. Zwar hatte ich nicht den Alltag mitbekommen, sondern die Ausnahme eines Festes, aber ich konnte klar erkennen, wieviel Energie und Engagement in dieser Familie zu finden war. Neben der Zuständigkeit für Dekoration und Ambiente, stand Martina vor und nach den Feierlichkeiten immer fleißig und fast schon unermüdlich in der Küche. Sie hat in jeder freien Minute neu Zwiebelkuchen, Quiche und Soßen zubereitet, die dann direkt wieder in den Verkauf gingen.


Das ist (neben vielen weiteren Aspekten) im Übrigen ein ganz besonderes Charakteristikum von Hoffesten. Man kann sich eigentlich immer sicher sein, dass alles, was man konsumiert, regional angebaut wurde und handgemacht zubereitet ist - ein ganz besonderer Charme. Außerdem ist die Gastfreundschaft und Heimeligkeit an Hoffesten hervorzuheben. Man fühlt sich direkt wohl und willkommen und bekommt auch das Gefühl vermittelt, als wäre es den Veranstalter*innen eine Freude, uns zu Gast zu haben. Sowas funktioniert nur, wenn dem auch wirklich so ist, soviel steht fest!



Zurück in die Gegenwart.


Ich freute mich darauf, die Familie mal wieder zu sehen. Begrüßt wurde ich von Martina, aber mein Gespräch hatte ich vor allem mit Max. „Die Jugend soll das mal machen...“, strahlte mich Martina an. Ich glaube sie ist schon sehr stolz auf ihren Max, der immer mehr der Kopf des Unternehmens wird. Und sie kann auch stolz auf ihren Sohn sein, soviel steht fest.


Max Bohnenstiel ist 25 Jahre alt, hat nach seinem Abitur erst eine Ausbildung zum Winzer in Deidesheim gemacht und im Anschluss ein Studium in Geisenheim angeschlossen. Internationale Weinwirtschaft heißt der Studiengang und umfasst Produkt-Know-How und Ökonomie. Zudem ist es im Studium vorgesehen, ein Praktikum oder Studienjahr im Ausland zu machen. Max will dazu nach Südafrika gehen. Besonders spezialisiert hat er sich auf Biochemische Prozesse im Weinbau. Nicht das leichteste Thema, aber doch so ziemlich das spannendste (ganz objektiv beurteilt natürlich ;)).



Hören wir mehr über den spannenden Werdegang!

In der Ausbildung ist es vorher nicht immer ganz einschätzbar, ob einem viel oder wenig Verantwortung zugesprochen wird, gerade wenn man bei sehr beliebten Weingütern mit gutem Ruf anfragt, wie es auch Max getan hat. Es gab ca. ein duzend Azubis und die meisten Aufgaben entsprachen nicht ganz den spannendsten und vielseitigsten. Aber durch Wissen, Können und Geschick konnte sich unser Winzer profilieren, sodass er schon bald mit noch einem weiteren Azubi auch größere Aufgaben übernehmen durfte. „Das war dann schon wirklich cool“, grinste er. Weiter ging es mit dem Studium. „In unserem Studium ist die Mischung fast 1:1 zwischen Winzer*innenkindern und Quereinsteiger*innen.“, erzählt mir der Jungwinzer. Weiter berichtet er: „Weinbau wird immer attraktiver auch für die Jugend. Zudem machen es Großunternehmen leichter, die Unternehmensführung eines Weinguts zu übernehmen, ohne selbst eines zu haben. Sie verbessern die Chancen und erleichtern den Einstieg. Dazu kommt, dass manche den Betrieb von Mama und Papa nicht übernehmen wollen und auch hier neue Spitzen gesucht werden!“.

Also an alle da draußen, die sich den Sprung ins kalte Wasser noch nicht getraut haben, aber von Weinbau träumen: die Zukunft sieht ganz rosig aus und die Hoffnung ist groß!



In einer modernen Welt wie der Unseren ist es den Kindern selbst überlassen, ob sie in das Gewerbe der Eltern einsteigen wollen oder nicht. Was also hat Max dazu bewegt das Weingut seiner Eltern übernehmen zu wollen? Die Antwort fiel dem Studenten nicht schwer: „Ich liebe den Beruf! Man ist in der Natur und der Job ist extrem abwechslungsreich. Kein Tag ist wie der andere. Es gibt eine Menge Aufgaben und man deckt alle großen Bereiche wie ‚Ökologie, Ökonomie und Soziales’ in unterschiedlichster Weise ab! Als Winzer*in ist man zuständig für den Rohstoffanbau, die Rohstoffverarbeitung und den Vertrieb. Und wenn man dann am Ende mit einem Lächeln auf den Lippen sein Produkt in der Hand hält… was könnte es schöneres geben?!“ Ja, es klingt wirklich nach einer Menge Spannung, Spaß und Abwechslung!


Neue Generation, neuer Kurs? Da ist Max eher zurückhaltend. Für ihn gilt es, Veränderungen genauestens im Auge zu behalten um schnellstmöglich zu reagieren, um auf die „richtigen“ Trends aufzuspringen und die „guten“ Neuerungen zu testen. Aber fest steht für ihn, dass seine Eltern „das schon alles ganz gut gemacht haben“. Auch sie haben Trends beobachtet und frühzeitig agiert. So benutzt die Familie schon seit 10 Jahren keine Pestizide mehr und ein Online-Weinverkauf wurde schon sehr früh eingerichtet. Während viele Winzer*innen in den Corona-Zeiten erst noch Logistik, Technik und Design eines Online-Shops erstellen mussten, hat bei Bohnenstiel all das schon existiert, berichtet Max. So konnte ein starker Einbruch der Finanzen abgefedert werden.


Die Tradition der Familie im Weingewerbe geht schon gute 300 Jahre. Aber das Weingut Bohnenstiel in Herxheim wurde erst unter Martina und Edwin gebaut, vergrößert und eingerichtet. Mittlerweile bewirtschaftet die Familie eine Rebfläche von 17 ha und hat alle essentiellen Maschinerien zur Weinproduktion in ihren Lagerhallen.



Der ganze Hof mit Gut ist sehr geschmackvoll und ästhetisch. Das wissen auch die vielen Stammkund*innen sehr zu schätzen. „Unsere Kund*innen bleiben uns sehr treu!“, verrät Max. Sichtbar wird die Treue auch in Zeiten der Lese. Bei Bohnenstiel wird ca. die eine Hälfte von Hand, die andere mit der Maschine gelesen. Natürlich braucht man für die Handlese auch fleißige Helfer*innen. Beobachtet wurde da, dass in den letzten Jahren viele Kund*innen gerne selbst mit in den Weingarten gehen, um mehr über die Arbeit hinter der Flasche herauszufinden.


Wie lange man in der Lese mit einem ha beschäftigt ist, kommt auf die Art an, wie die Trauben von der Rebe entfernt werden. Pro ha mit der Maschine kann man mit einem zeitlichen Aufwand von 2-4h rechnen, während man mit der Hand pro ha 200 Arbeitsstunden einplanen muss. Während der Lese - die gerade im vollsten Gange ist - ist Koordination, Beschaffung von Verpflegung und Unterkünften für Erntehelfer*innen das A und O für jede*n Winzer*in. Ein*e richtige*r Allrounder ist die*der Winzer*in eben und muss ihr*sein Weingut in jedem Bereich zu managen wissen.



Auch Max ist der Meinung: Der Weinbau boomt! Und das Bewusstsein, was hinter einer Flasche des guten Trunks steckt, steigt stetig an. „Wer einen Wein von schlappen 2-3€ kauft, der kann damit rechnen, dass das in keinster Weise irgendwie mit rechten Dingen zugegangen sein kann! Ein komplettes Jahr lang steckt der Winzer all seine Kraft, Energie, Muße und Liebe in seinen Weinberg um für die Kund*innen das Maximale aus den Beeren herausholen zu können. Allein ein 225 l Fass zum Reifen eines Rotweins kostet mit allem Drum und Dran ca. 1000€ und muss nach ca. 3 Jahren ausgewechselt werden, um dem Wein seinen charakteristischen Geschmack zu verleihen. Die Neuerung eines ha Weingartens - das heißt der Bepflanzung dessen mit Jungreben - kostet (Wo*men-Power noch nicht mit eingerechnet) 30.000€ und bereitet ca 200 Arbeitsstunden pro ha mehr! Qualität hat nunmal ihren Preis und mit 5€ pro Flasche, wenn es gut sein soll, muss man da schon rechnen!“



Während des Gesprächs wurde ich durch den Betrieb geführt. Ich bekam zu jedem Gerät, das uns begegnete eine ausführliche Erklärung und mir wurde von der Fakten-Lage erzählt, dass in den 80ern die südliche Hälfte von Deutschland mit Wein bewirtschaftet werden konnte und jetzt sogar England und Schweden Wein anbauen! Ja, das Klima ändert sich und mit dem Klima auch eine ganze andere Menge um uns herum!

Neben dem Klima spielen unter anderem Bodenbeschaffenheit, Neigung, Exposition zur Sonne, Zeilenausrichtung, Mikro- und Makroklima und Böschungen eine Rolle. All dass muss ein*e Winzer*in mit berücksichtigen, wenn sie*er den Reben die bestmögliche Fürsorge geben möchte. „Das ist auch der Grund, warum man so etwas studiert!“, klärt mich Martina auf. Und jap, ich kann dem nur zusprechen. Wein ist ein komplexes Gefüge aus Wissenschaft, Kunst und Kultur!


Nachdem wir uns Keller und Produktionsstätten angesehen hatten ging es noch auf einen Abstecher in den Weingarten hinter dem Haus. Es war wunderschön, wie die Abendsonne die reifen, saftigen Trauben in ein goldenes Licht getaucht hat und die großen grünen Blätter durchschienen wurden. Ja, die Pfalz ist einfach ein traumhafter Ort! Und wenn man dazu noch eine schmackhafte Weinverkostung genießen darf, dann ist das wohl das Höchste der Gefühle.


Es war ein sehr unterhaltsames und lustiges Treffen. Max ist ein sehr aufgeschlossener, vielversprechender Jungwinzer mit einem enorm großen Wissensschatz. Nur 5 Jahre ist er älter als ich und das, was er leistet, ist enorm! Sein Grundsatz lautet übrigens: „Wein wird im Weinberg gemacht. Im Keller kann man die Qualität nur noch halten und nicht verbessern. Ich möchte meinen Kunden schöne saubere sortentypische Weine präsentieren mit einer guten Qualität zu einem guten Preis!“



Und das garantiert Bohnenstiel seinen Kund*innen auch. 2015, 2017 und 2018 gab es mehrfach Gold und Silber aus Auszeichnungen für besonders gute Weine auf der „AWC Vienna“, der größten offiziell anerkannten Weinbewertung der Welt. „Das war schon ein fantastisches Gefühl da im Wiener Rathaus mit mehr als 3.000 geladenen Fachgästen die Urkunde überreicht zu bekommen!“, erzählt Max mit einem breiten Lächeln. Und das sind nicht die einzigen Preise. Das Weingut wird in dem Weinführer Eichelmann, dem „Standardwerk zum deutschen Wein“, seit 2005 gelistet und in den letzten Jahren konnte die Familie immer mit mindestens zwei Rieslingen mindestens 87 Punkte im „Best of Riesling“ rechnen, dem weltweit größten und internationalen Riesling-Wettbewerb.


Ich freue mich darüber, zu sehen, wie die jahrelangen Familientraditionen auch in Zukunft weiter gehen wird und bin auch ein bisschen froh darüber, in Herxheim ein paar Winzer*innen in meinem Alter zu haben, mit denen ich mich gut verstehe. Das macht Veranstaltungen gleich ein Stückchen witziger, einfach weil man in einer ähnlicheren Zeit aufgewachsen ist und sich in ähnlicheren Lebenssituationen befindet...



Hier noch ein paar Facts über Max Bohnenstiel:


- „Ich finde das Amt der Weinprinzessin eigentlich echt voll cool... Ich hab auch mal zu meiner Mutter gesagt ‚Wenn’s keiner macht, Bacchus (das männliche Pendant zur Weinprinzessin) fänd ich eine schöne Angelegenheit! Bisschen vor Menschen sprechen üben, Weine repräsentieren, Kontakte knüpfen... Warum nicht?‘“ — mit Augenzwinkern


- „Also für Deko und Kochen, da brauch ich meine Mama... Die kann das am allerbesten!“


- „Rotwein war ich gar kein Fan. Erst unser Spätburgunder „Herling“ hat mich zum Trinken gebracht…“


- „Meinen ersten Wein, den ich selbst in seiner Mischung zusammensetzen durfte, hieß ‚Seiner‘. Mein Vater und ich haben einen kleinen Contest gegeneinander gemacht und immer wenn Kunden kamen, wurden sie in den Keller geführt und haben den Wein von meinem Vater und den Wein von mir zum Probieren bekommen. Im Anschluss hat mein Vater dann jedes Mal gefragt ‚Und, welcher Wein schmeckt besser? Meiner oder seiner?‘ und die Antwort war fast einstimmig ‚Seiner’!“ — mit riesigem Lachen


- „Wir sind das höchstgelegene Weingut an der deutschen Weinstraße. Zwar weiß das kaum einer, aber es stimmt!“



Was ich abschließend noch sagen kann… Ob ich schon Bock auf die „Herxheimer Jungweinprobe“ im Januar habe? Absolut! Das ist ein Event bei dem alle Winzer*innen von Herxheim zusammen kommen und ihre Weine aus dem letzten Jahr den anderen vorstellen. Klingt nach einer Menge Spaß? Jap, das hab ich mir auch gedacht.


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